Von der Weide auf den Teller – Besuch beim Hutanger-Projekt (von Christian Buggisch)

Und dann kam der Regen. Seit Tagen war es heiß und knochentrocken. Entsprechend luftig bekleidet hatten sich rund 30 Slow Food-Mitglieder auf den Weg zur Besichtigung des Hutanger-Projekts nahe Hersbruck gemacht. Und kaum auf der Kuhweide angekommen, öffnete der Himmel seine Schleusen und es goss in Strömen …

Zwar verwandelte sich der Ausflug schnell in eine kleine Schlammschlacht, aber das tat der guten Laune keinen Abbruch. Denn erstens war der warme Sommerregen für alle erfrischend und zweitens machte Rainer Wölfel vom Hutanger-Projekt klar, dass der Regen nach der langen Trockenzeit dringend nötig war.

Aber der Reihe nach: Kuhweide? Hutanger-Projekt? Worum geht es?

Das Ziel des Slow Food-Ausflugs am vergangen Sonntag war ein bayerisches Vorzeige-Projekt in Sachen Naturschutz und Nachhaltigkeit. Der Begriff Hutanger sagt eigentlich alles: „Hut“ kommt von „hüten“, der „Anger“ bezeichnet seit Jahrhunderten ein wildes Grasland. Die Hutanger in der Hersbrucker Alb sind also Weideflächen, auf die der Dorfhirte früher die Rinder der Dorfgemeinschaft trieb. Sie waren Teil der Allmende, des Gemeinschaftsbesitzes der Bewohner.

Was früher eine Selbstverständlichkeit war, ist heute ein Naturschutzprojekt. Rund 500 Hektar auf 120 Einzelflächen sind Teil des Projekts im Nürnberger Land. Erstes Ziel ist, wie Rainer Wölfel in seiner dreistündigen Führung den Slow Food-Interessenten erklärte, Landschaftspflege. Jenseits von konventioneller ertragsoptimierter Landwirtschaft werden alte Weideflächen erhalten und bewirtschaftet, die man an ihren blühenden Magerrasen und alten Baumbeständen erkennen kann.

Landschaftspflege bedeutet in diesem Fall den Erhalt bzw. die Rückgewinnung von Artenvielfalt. Das effektivste Mittel gegen das viel diskutierte Insektensterben etwa seien Hutanger, so Wölfel. Landschaftspflege bedeutet aber auch, für attraktive Landschaften zu sorgen. So manche Brennnesselwüste sei durch die Rinderbewirtschaftung als „sehenswerte“ Weide zurückgewonnen worden.

Gepflegt wird die Landschaft weniger vom Menschen als von Tieren, im Falle der Weiden, die wir uns im Rahmen der Slow Food-Veranstaltung angeschaut haben, vor allem von Kühen. Und das ist eine zweite erfreuliche und beeindruckende Folge des Hutanger-Projekts: Tiere können hier so leben, wie man sich das nur wünschen kann (vorausgesetzt der eigene Kompass ist auf etwas anderes ausgerichtet als den Erwerb von möglichst billigem Fleisch beim Discounter).

In Mutterkuhhaltung (was bedeutet, dass die Kühe nicht gemolken werden und die Kälber die ganze Zeit bei ihren Müttern sind) und in der natürlichen Gemeinschaft ihrer Herde haben die Tiere kurz gesagt ein schönes Leben – und entwickeln eine ausgezeichnete Fleischqualität. Der Fleischverkauf wird über Direktvermarktung organisiert, wobei die Paten bevorzugt werden. Patenschaften, mit denen man das Projekt unterstützen kann, gibt es ab 60 Euro.

Von dieser Qualität konnten sich die Slow Food-Ausflügler – wieder halbwegs getrocknet – am Abend im nahe gelegenen Gasthaus „Zum Stillen Bächlein“ überzeugen und ein viergängiges Menü mit Fleisch aus dem Hutanger-Projekt genießen:

Gruß aus der Küche: Lauwarmer Beef Tea

Sülze vom Kalb an Wildkräutersalat in Apfel-Eichen-Essig, Wachtelspiegelei, geröstetes Bauernbrot

Mit Rosmarin gebratenes Kalbsschäuferle, dazu Glaciertes aus Wald und Flur, Pfifferlingsknödel

Gebackene Hollerblüten an Erdbeersalat, Gurkeneis und Fichtenknospen in Zartbitterschokolade

 

Eine Antwort

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